Dieser Artikel ist schon über 2 Jahre alt. Unter Umständen kann das, worüber wir geschrieben haben durchaus veraltet sein! 😉 


Mehr oder weniger interessante Studien zum Thema Social Media gibt es zu genüge. Dennoch verdient es die TOUROM Studie 2011 (Quelle: www​.TouristikConsulting​.de), intensiver besprochen zu werden. Warum? Weil der Tourismus unserer Meinung nach eine der Branchen ist, die für den Einsatz sozialer Medien prädestiniert ist. Warum besonders prädestiniert?

Fakt ist, dass sich der klassische Tourist vergangener Zeiten vor einer Reise mit Hilfe der Offline-Medien informierte. Er nahm sich also den altbekannten Reiseführer zur Hand und buchte seinen Urlaub in der Regel pauschal. Natürlich surfte er aber auch auf der Website des örtlichen Tourismusverbandes und informierte sich so über anstehende Veranstaltungen vor Ort. War dies getan, stieg der herkömmliche Reisende ins Auto oder das Flugzeug – und los ging’s.

Heute jedoch werden Reisen zunehmend individuell geplant; dem stellt die Tourismusindustrie das Konzept der modularen Baukastensysteme entgegen, d.h. mehrere Bausteine (Mietwagen, Flug, Hotels, variabel kombinierbare Routen und Ausflüge) ergeben eine scheinbar individuell konfigurierte Reise. Das aber gilt wiederum nur für den in alten Gewohnheiten verharrenden Touristen, der die Preisaufschläge der etablierten Anbieter im Ausgleich für erhöhten Komfort bei der Auswahl und Buchung einer Reise akzeptiert und mit den recht statischen Bausteinen das Gefühl der Individualität erfährt.

Anders sieht es bei der Generation 2.0 aus, die mit dem Internet aufgewachsen ist. Hier wird die Buchung über Internetportale bevorzugt, Bewertungen geben den Ausschlag für das eine oder andere Hotel und der über eine Preissuchmaschine gefundene Flug wird direkt und ohne Umwege gebucht. Es entscheidet einzig und allein der Preis. Vor Ort wird man dann Fan der lokalen Gemeinde bei Facebook und informiert sich dort über aktuelle Veranstaltungen, wie das traditionelle Weinfest und die anschließenden Feierlichkeiten. Anschließend wird bei einem Kaffee auf der Piazza (natürlich bei herrlichem Sonnenschein vor historischen Gemäuern) das Smartphone gezückt, um via Foursquare aktuelle Angebote in der Umgebung zu checken. Vielleicht ist ja gerade auch ein Hotel mit einer besonders günstigen Rate in der Nähe oder der örtliche Strandbuggy-Verleiher hat für Foursquare-User ein besonderes Willkommensangebot online gestellt. Um auch wirklich über die angesagtesten Events der Locals informiert zu sein, wird abschließend noch der Twitterstream unter dem Hashtag der lokalen Gemeinde angeschaut.

Jetzt aber zurück zur Studie. Wie und welche Touristen nutzen das Web 2.0 bzw. wofür wird es genutzt. Antworten darauf gibt die aktuelle TOUROM-Studie von Touristik Consulting, die hier zum Einstieg zu sehen ist.

Befragt wurden Reiseveranstalter, Reisebüros, Airlines, Arbeitnehmer und Führungspersonen, von denen immerhin 48% angaben, dass ihr Unternehmen über eine Facebook-Fanpage verfügt. Dabei haben die Betriebe durchschnittlich 2.298 Fans auf Facebook und 865 Follower bei Twitter, was die Studie zu Recht als nicht ausgeschöpftes Reichweitenpotential bezeichnet. Selbst der deutsche Branchenprimus TUI hat nur 40.000 Fans und damit noch deutlich Luft nach oben. Wie man es machen kann, zeigt die Lufthansa: über 300.000 Fans. Für lokale Reisebüro, die auch befragt wurden, wären knapp 2.300 Fans jedoch eine schöne Basis, um Sonderaktionen und Angebote der Kundschaft bekannt zu machen. Twitter wird von 33% der Unternehmen, Google Places von 23% genutzt. 19% setzen zudem auf YouTube, 18% der Unternehmen der Tourismusbranche betreiben ein eigenes Blog oder ein Unternehmensprofil bei XING.

Insgesamt ist die Branche anscheinend aufgeschlossen für die sozialen Medien. Man muss jedoch berücksichtigen, dass die Umfrageteilnehmer höchstwahrscheinlich Leuchtturmbeispiele, sprich die Big Player im Tourismus sind. Interessant wäre es, die Social Media Nutzung des sog. Local Businesses zu analysieren, da gerade bei den Reisebüros um die Ecke ein großes Potential brachliegt: die direkte Ansprache des Kunden, über das Reisebüro hinausgehend. Als Medium würde sich hier Facebook, aber auch Foursquare als ein Vertreter der Location-based Services anbieten, flankiert durch Twitter. L‚Tur, zwar ein Großer der Branche, aber mit kleinen Reisebüros überall in Deutschland präsent, hat es mit Foursquare vorgemacht. Bei jedem Walk-In erhielten die Kunden bei Buchung 20€ Rabatt.

Laut Studie beschränken sich die Unternehmen bei Facebook auf die Nutzung der Pinnwand. Die Autoren bemängeln, dass „nur 23% die Eventfunktion nutzen”. Das ist auch richtig, jedoch hat die Veranstaltungsfunktion in unseren Augen keine herausragende Bedeutung für die Tourismusindustrie. Lediglich für die lokalen Small Businesses, bspw. Reisebüros, wäre diese Funktion im Zusammenhang mit Informations- & Promotionveranstaltungen lohnenswert. Wirklich interessant für größere, aber auch kleinere Unternehmen wären eingebundene Videos der Destinationen, zusätzliche Reiter mit Apps (man denke hier bspw. an virtuelle Reisekataloge) oder eine gelungene Landingpage mit einem call to action – einer Handlungsaufforderung, Fan der besuchten Seite zu werden.

Ein weiterer Schwachpunkt ist laut Studie in den Webauftritten der Unternehmen zu sehen – Social Plugins (ein absolutes Muss) sind hier Mangelware. Lediglich 38% der Unternehmensauftritte verfügen beispielsweise über ein Link zu ihrem eigenen Facebookauftritt. Insofern erklären sich auch die niedrigen Fanzahlen, da das Teilen von Inhalten nur über Umwege möglich ist. Positiv festzustellen ist, dass zumindest für die Inhalte eine strategische Klarheit vorherrscht. Postings zu Reiseberichten, Unternehmensneuigkeiten und speziellen Angeboten werden als wertig angesehen. Das Social Monitoring wird stiefmütterlich behandelt, nur 15% überwachen die eigene Rezeption im Web 2.0 und überlassen das eigene Image damit dem Zufall.

Was die Verankerung im Unternehmensalltag angeht, besteht ebenfalls Nachholbedarf. Nur 8,9% des Online-Marketing-Budgets steht für Social Media bereit. Noch schwerwiegender ist, dass 71% der Teilnehmer angaben, in ihrem Unternehmen existiere keine Social Media Strategie. Ergänzt wird diese Feststellung durch die Tatsache, dass nur 25% der Unternehmen eigene Social Media Guidelines erstellt haben. Zudem wird nur von 25% der Befragten der eigene Erfolg in den sozialen Medien getrackt.

Allgemein scheint auch in dieser Brache ein grundsätzliches Missverständnis von Social Media vorzuherrschen, wenn die Notwendigkeit des schnellen Reagierens und die Gefahr des unproduktiven Verzettelns als die größten Risiken gesehen werden, gleichzeitig aber die schnelle Informationsverarbeitung und die Neukundengewinnung als größte Chance betrachtet werden.

Wie die Studie zeigt, ist das fehlende Verständnis für die Potenziale von Social Media auch im Tourismus eines der großen Missverständnisse. Noch immer wird Facebook von den meisten Unternehmen als Privatangelegenheit betrachtet.